Erinnert sich noch jemand an diese schicken bunten iMacs, die das erste deutlich sichtbare Ausrufezeichen von Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple Ende der Neunziger waren? Diese iMacs waren das Anfang vom Ende. Für die 3,5"-Diskette.
Der Aufschrei damals war groß - im dominierenden PC-Lager konnte niemand wirklich verstehen, wie es Apple fertigbrachte, auf Disketten zu verzichten. Erfahrene Windows-Nutzer mussten auch noch Mitte des letzten Jahrzehnts darauf achten, in ihren Rechnern entsprechende Laufwerke zu verbauen bzw. verbauen zu lassen, da sich oft nur so RAID-Treiber für eine Windows XP-Installation bereitstellen ließen. Doch schlussendlich ist auch im PC-Bereich das Diskettenlaufwerk irgendwann sang und klanglos gestorben.
Das wird auch mit den DVD-Laufwerken passieren, und natürlich auch mit den Blu-Ray-Laufwerken, und zwar noch bevor sie sich überhaupt durchsetzen können. Aber das ist ein anderes Thema.
Tatsächlich zeigt die von Apple angezettelte Disketten-Revolution eine schöne Parallele zur Gegenwart (und nahen Zukunft) auf. Denn Apple ist schon wieder dabei, etwas unweigerlich dem Tode zu weihen: das klassische, pixelige Display.
Begonnen hat es vor zwei Jahren mit der Einführung des iPhone 4, fortgeführt haben sie es mit dem iPad 3 im letzten Jahr, die aktuelle Krone der Schöpfung bildet das neue MacBook Pro Retina. Mit 2880x1800 Pixeln auf nur fünfzehn Zoll Bildschirmdiagonale bietet es so viele Bildpunkte, wie noch kein (kommerzielles) Notebook-Display zuvor.
Da die hochauflösenden Displays auf allen drei Gerätetypen wesentlich mehr Energie benötigen, als herkömmliche Gegenstücke, es Apple aber geschafft hat, dies nicht auf Kosten der Akkulaufzeiten gehen zu lassen, ist es eine ziemlich klare Ansage aus Cupertino. Anstatt den Nutzern noch längere Laufzeiten zu gewähren, hat man sich bewusst dafür entschieden, diese für eine so brilliante Darstellung zu opfern, wie sie derzeit kein Konkurrent zu bieten vermag.
Ich kann nicht beurteilen, wie lange sich dieser Wettbewerbsvorteil verteidigen lassen wird, aber ich gehe einmal davon aus, dass ein Nachziehen der Konkurrenz mindestens auf Kosten ihrer Margen gehen wird. Womit Apple sich mit einem technologisch herausragenden Schachzug auch wirtschaftlich weiter absetzt.
Warum die "Retina-Displays" ein Wettbewerbsvorteil sind, kann man als Nutzer erst erkennen, wenn man ein solches Gerät einmal verwendet hat. Wer ein billiges Android-Gerät neben ein iPhone 4(S) hält, wird den Unterschied genau so erkennen, wie ein Nutzer des iPad 3, der seine Texte mit denen auf einem iPad der ersten oder zweiten Generation vergleicht.
Am krassesten fällt der Unterschied jedoch tatsächlich beim neuen MacBook Retina aus. Die Ergebnisse bei angepassten Oberflächen sind dermaßen besser als auf herkömmlichen Displays, dass es schwerfällt, wieder auf ein solches zu wechseln.
Hier sehe ich dann auch einen von zwei Kritikpunkten, der sich nur durch Zeit abschwächen und auflösen lässt: die Qualität der Darstellung ist dermaßen gut, dass alles "bisher" dagewesene, sprich alles, was sonst so auf 99,99% der Displays in dieser Welt zu sehen ist, wie aus einer längst vergangenen Welt erscheint. Nämlich unscharf, verpixelt, schlecht lesbar.
Der andere Kritikpunkt: alles, was nicht auf die hohe Auflösung hin angepasst ist, kommt auch auf dem Retina-Display sehr schlecht rüber.
So nutzt Apple natürlich nicht die native Auflösung als Standard, sonst müsste man zu jedem Gerät eine Lupe verkaufen. Stattdessen kann der Nutzer wählen, wie klein oder detailliert er den Bildschirminhalt haben möchte - als optimal habe ich 1440x900 Pixel oder 1680x1050 Pixel empfunden.
In diesen skalierten Auflösungen haben jedoch klassische Oberflächen schleche Chancen. So sah beispielsweise die noch nicht angepasste Twitter-App recht gruselig aus (Screenshot).
Genauso verhält es sich auch mit Inhalten von Websites, insbesondere Grafiken. Mögen die angepassten Browser alle Texte gestochen scharf rendern, bei Bitmap-Grafiken wie JPEGs, PNGs oder GIFs geht das nicht: die bieten nun mal nur eine begrenzte Anzahl an Bildpunkten, die man auch nicht erhöhen kann.
Deshalb sehen sehr viele Fotos, Logos, Buttons usw. auf Websites und in Webanwendungen unscharf aus, so lange sie nicht (wie auf der Apple-Homepage) speziell angepasst werden. Eine solche Anpassung bedeutet jedoch auch wesentlich größere Datenmengen, die übertragen werden wollen. Keine guten Nachrichten für Nutzer im ländlichen Raum, von mobilen Datennetzen oder gar von Usern in Afrika …
Das war schlussendlich auch für mich der entscheidende Grund, weshalb ich mein MacBook Retina wieder zurückgegeben und gegen ein aktuelles MacBook Air umgetauscht habe. Da ich auf dem Gerät selbst auch Inhalte produziere, hätte ich häufig zwischen zwei Extremen pendeln müssen. Entweder hätte ich das Gefühl gehabt, etwas Minderwertiges, weil zu niedrig aufgelöstes auszuliefern, obwohl das 99,9% der Nutzer nicht so empfunden hätten. Oder aber ich hätte, weil verblendet zum 0,01% der Nutzer gehörend, für diese anderen 99,9% etwas ausgeliefert, was sie gar nicht benötigt hätten, weil ihren Displays die notwendige Auflösung fehlt.
Fakt ist jedoch, dass Apple kaum mehr einen Schritt zurückgehen wird. Ich erwarte eher, dass zukünftig alle iMacs und MacBooks mit Retina-Displays produziert werden, und so auch irgendwann eine kritische Masse erreicht werden wird, die man bei der Produktion von Software und Medien nicht mehr ignorieren können wird.
Ich bin mir sicher, da kommt noch einiges auf uns zu.