HTC Desire vs. iPhone 3G
Als ich heute mit der Telekom telefonierte, fragte mich der Call-Center-Agent beiläufig, ob ich nicht auch gerne ein Telefon haben möchte, um das mich alle beneiden würden. Ich musste das iPhone dann aber dankend ablehnen, hatte ich schließlich gerade mein sehnlich erwartetes HTC Desire vor mir liegen, dass darauf wartete ausgepackt zu werden.
Dass ich das Desire überhaupt bestellt habe, hat vielerlei Gründe. Zum einen, dass mir Apple mit seiner Politik einfach auf den Wecker geht. Die Produkte sind durchgehend gut, die Politik ist es schon lange nicht mehr. Zum anderen ist mein aktuelles Smartphone, ein iPhone 3G, nun beinahe zwei Jahre alt und inzwischen einfach viel zu langsam. Und da ich meinen Vertrag bei T-Mobile zu Mitte Juni gekündigt habe, der Netlock vom iPhone aber erst Mitte Juli entfernbar ist (Politik ...), ergab sich so alles in allem eine gute Gelegenheit zu einem unvernünftigen Kauf aus dem Bauch heraus ;-).
Ausstattung
Die Verpackung ist angenehm schlicht, enthalten sind neben dem Telefon ein Netztadapter, ein USB-Kabel, Kopfhörer und eine 4 Gigabyte große Micro-SD-Karte. Letzteres war eine Überraschung, da davon nichts angegeben gewesen ist.
Hardware, Verarbeitung & Optik
Die matte und gummierte Rückseite ist gegenüber dem iPhone gewöhnungsbedürftig, lässt das Gerät aber nicht minder wertig erscheinen. Bis auf die Lautstärkeregler an der linken Seite klappert auch nichts. Allerdings ist das, wie beim iPhone ebenfalls, zu vernachlässigen. Und auch nach mehrmaligem Öffnen der Rückseite blieb der befürchtete Verschleiß aus, es sitzt alles bombenfest (Ich hatte letzte Woche ein Palm Pre Plus in der Hand, welches ja maximal 2 Wochen alt sein konnte – dieses klapperte schon etwas ...).
Für sich gesehen sieht das Desire definitv schick aus. Der leicht rötlich/bräunlich schimmernde Rahmen, die matte Rückseite – schon ganz gut gelungen. Legt man jedoch ein iPhone daneben, wird doch der Unterschied deutlich. Das Desire ist eben ein normales Smartphone eines taiwanesischen Herstellers. Das iPhone ist und bleibt ein Designerstück, auch wenn sich das in der Wahrnehmung inzwischen etwas verschoben hat, da nun auch 13-jährige damit am Ohr rumlaufen ;-). Was den Unterschied deutlich macht sind in meinen Augen die vielen Knöpfe, die man eben an allen 0815-Geräten findet. Später mehr dazu.
Geschwindigkeit
Nur ein Wort: Wow. Beim Vergleich mit meinem iPhone 3G treibt es mir da fast die Tränen in die Augen, so gut ist der Speed. Ganz selten dass man mal ein paar Sekunden beim Start einer App warten muss, üblicherweise flutscht alles wie aus einem Guss.
Das GUI
Nach dem ersten Einschalten konnte ich mir ein „Wow!“ nicht verkneifen. Was HTC da mit seiner Sense-Oberfläche hingezaubert hat, ist aller Ehren wert. Eine feine Oberfläche mit vielen halbtransparenten Elementen und schicken Buttons. Ob Kalender, E-Mail oder Mailclient – alles sieht sehr schick aus.
Software-Angebot
Für alle erdenklichen Standardaufgaben gibt es genügend Software, vorinstalliert wie auch im Market. Natürlich ist das Angebot nicht so reichhaltig wie in Apples AppStore, aber man findet gefühlt für fast jede Anforderung eine passende Lösung. Und auch Tools, die man vom iPhone kennt, muss man zum Teil nicht missen (z.B. das von mir sehr geschätzte Qype Radar).
Der Browser
Wofür es allerdings meiner Meinung nach keine alternative Software braucht (obwohl vorhanden!) ist der Browser. Der hat mich fast vom Hocker gehauen. Wer ein iPhone 3G besitzt, der weiß, dass es beinahe unmöglich ist durch normale Websites zu browsen. Von der fehlenden Flash-Unterstützung abgesehen ist es einfach unheimlich langsam, egal ob bei Edge- oder 100-Mbit-Glasfaser-Anbindung und n-Wifi.
Der von HTC verwendete Browser (keine Ahnung welcher das genau ist), ist speedtechnisch eine Granate. Evtl. liegt es auch, nein ganz sicher ist es so, an der Geschwindigkeit der Hardware insgesamt – das Surfen ist jedenfalls eine komplett neue Erfahrung für mich gewesen. Man kann sagen, dass der Browser Sites annähernd so schnell rendert wie normale Desktop-Browser – in jedem Fall aber so schnell, dass es nicht nervt und man auch bei der hohen Auflösung gerne mal aufm Sofa damit im Netz etwas recherchiert anstatt das auf dem Desktop oder Notebook zu erledigen. Und das auch wenn Sites komplexe JS-Inhalte oder Flash-Werbung in Masse aufweisen.
Usability
Es zeigt sich wie so oft, dass eine vordergründig schöne Optik wenig bringt, wenn die damit ausgestatteten Elemente sich einfach schlecht bedienen lassen. So sehen der E-Mail- oder Twitter-Client zwar wirklich hübsch aus, im direkten Vergleich zu Apples eigentlich – so dachte ich bisher – wirklich lahmen Gegenstück schneiden sie in der Verwendung aber wesentlich schlechter ab. Ob es um das Löschen mehrer Mails auf einmal oder auch nur die Darstellung geht – überall finden sich im Detail kleine Unzulänglichkeiten.
Dazu kommt, dass viele Funktionen nur über die Hardware-Buttons verfügbar sind. An sich nicht schlecht gedacht. Allerdings beweist Apple seit Jahren, dass in dieser Hinsicht weniger definitiv mehr ist. Denn wofür es keine Knöpfe gibt, dafür muss sich der Entwickler entsprechend etwas einfallen lassen. So fiel es mir dann schon schwer auf die Gestensteuerung weitestgehend zu verzichten – zurück geht’s z.B. immer nur per Hardware-Knopf, anstatt wie gewohnt mit einem Fingerwisch.
Völlig unnütz sind der in der Mitte befindliche „Maus-Button“, über den man navigieren kann (aber es doch nicht tut), sowie der rechts angeordnete Suchknopf, dessen Funktion man gut und gerne softwareseitig hätte lösen können, wie es auch Apple zeigt.
Gewöhnungsbedürftig aber als ganz gut empfinde ich die Tastatur, die voreingestellt für jedes Tippen ein Feedback in Form einer leichten Vibration gibt. Auch die Autovervollständigung ist wesentlich besser als beim iPhone, wenn auch etwas aufdringlicher.
Nicht gut gelöst hingegen ist das Tippen im Querformat. Dann nämlich sind nicht nur Umlaute schwierig zu erreichen (genau genommen braucht man eigentlich beide Hände dafür), sondern mir passierte es auch immer wieder, dass ich mit der linken Hand auf den Power-Knopf gekommen bin und der Bildschirm plötzlich schwarz wurde oder das Ausschalt-Menü auftauchte ...
Datenschutz
Tja, eins sollte man sich klar machen: die Guten gibt es nicht. Wir haben es, egal ob bei Microsoft, Palm (HP), Apple oder Google immer mit gierigen Konzernen zu tun, nicht mit Vereinen von guten Menschen.
So bleibt man auch als Android-Nutzer zwangsläufig nicht vor Einschränkungen verschont, insbesondere beim Datenschutz.
Zur Verwendung des Markets benötigt man ein Google-Konto, für welches natürlich Kreditkartendaten hinterlegt sein wollen. Soweit okay, dieses Konto kann man ja explizit für das Telefon anlegen und verwenden (zumindest fürs Gewissen, denn man sucht ja auch damit im Netz ...).
Spannend wird es bei den Ortungsdiensten, für die Google fordert, dass sie den eigenen Standort (angeblich) anonymisiert mittracken dürfen. Erlaubt man dies nicht, ist keine Ortung möglich – schlecht für die Nutzung von Tools wie dem Qype Radar oder Google Maps ...
Die Synchronisation
Das ist „mein“ Thema. Ein Grund, warum ich Apple mit dem iPhone so lang die Treue gehalten habe und dies wohl auch noch ein Weilchen tun werde, ist die für mich lückenlose Synchronisation meiner Daten.
Mein Setup besteht seit nunmehr zwei Jahren aus einem Exchange-Account, über den ich berufliche Termine und Kontakte abgleiche, sowie einem Mobile-Me-Account, mit dem ich meine privaten Termine und Kontakte verwalte.
Diese zwei Quellen bekomme ich auf dem iPhone wunderbar zusammengeführt, ich sehe also dort in einer Kalender-App und in einer Adress-App alle meine Kontakte. Darüber hinaus klappt sowohl die Integration in Outlook unter Windows als auch Entourage am Mac (über den Umweg iCal und Adressbuch), wenn auch bei MobileMe eher leidlich (so verschwinden angelegte Termine, andere stehen plötzlich x-fach drin). Aber es geht – und ich habe an der Konfiguration meines iPhones seit 2008 nichts verändert und es nie zu einer Synchronisation an irgendein Kabel stecken müssen.
Nun unterstützt natürlich auch das HTC Desire Exchange. Aber leider nur einen einzigen Account – obwohl Android 2.1 offiziell mehrere Accounts zulässt und dies beispielsweise beim Nexus One auch funktioniert. HTC hat dieses Feature aber gestrichen – womit wir wieder bei schlechter Politik wären ...
Ich wusste das natürlich bereits vor dem Kauf. Was ich aber nicht wusste, war, dass es keine wirkliche Alternative dazu gibt.
Man kann zwar auch Kalender und Kontakte mit seinem Google-Account synchronisieren – aber spätestens bei der Integration in Entourage und Outlook ist dann wieder Schluss. Und zwei Interfaces möchte ich nicht verwenden (Browser für Privates, PIM für Geschäftliches).
Bleibt eine Anwendung namens „Touchdown“, die sich für 20 Dollar im Market findet und die Anbindung an Exchange ermöglicht. Diese ist aber so dermaßen hässlich, dass ich absolut keine Lust habe, sie zu verwenden.
Unterm Strich ist hier also das eingetreten, was ich beinahe befürchtete – das absolute K.O.-Kriterium für mich ist erfüllt.
Nicht mehr getestet habe ich die Synchronisation mit iTunes. Da es aber hierfür etliche Tools im Market gibt und auch kein Mangel an guter Player-Software herrscht, denke ich, dass dies kein Problem sein sollte.
Fazit
Immer nur von anderen Plattformen und Geräten zu lesen ist das eine. Die Rants gegen das iPhone von Freaks wie Karsten verstehen zu können, das andere. Das kann man nur, wenn man mal über den Tellerrand hinaus geschaut hat.
Das habe ich heute kurz – und gesehen habe ich viel Erfreuliches. Mindestens ein Betriebssystem, dass in Kombination mit den Erweiterungen von HTC zu einer echten iPhone-OS-Alternative herangewachsen ist und für viele User sicher auch einen qualitativ gleichwertigen Ersatz darstellen kann. Das freut vor allem,weil Apple ordentlich Dampf gemacht wird auf diesem Weg.
Umso bedauerlicher, dass mit einer – nicht begründeten – Entscheidung um die Entfernung des Muli-Exchange-Supports von HTC in Kombination mit dem wesentlich schlechteren Tooling von Google gegenüber Apple (Mobile Me), trotzdem noch kein Schuh für mich daraus wird. Aber für eine Investition von mehr als 500 EUR (Smartphone, Speicherkarte, Zubehör) sind mir da ein paar Kröten zu viel drin, als dass ich die alle schlucken könnte.
Abgehakt ist das Thema damit für mich natürlich noch nicht, mein 3G bleibt weiterhin langsam, Apples Politik ebenfalls verachtenswert. Aber wie man auch an diesem Beispiel beim Punkt Datenschutz sieht: irgendwas ist immer. Gut möglich, dass ich dann vielleicht doch im Sommer zum neuen iPhone HD greifen werde. Mal sehen ;-).